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ANTI-GEWALT-TRAINING IN DER JVA LÜBECK

 

Pro Jahr werden 2 – 3 Anti-Gewalt-Trainings (AGT) in der JVA Lübeck angeboten. Durchgeführt werden die Kurse immer von zwei Trainer*innen. Die Kurse finden zweistündig in wöchentlichem Rhythmus an 18 Terminen in der JVA statt. Damit entspricht das Volumen den Standards der Täterarbeit häusliche Gewalt und folgt den Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit häusliche Gewalt (BAG TäHG e.V.https://www.bag-taeterarbeit.de/ . Einige Elemente das AAT-Trainings http://www.konfrontative-paedagogik.de/grundlagen/anti-aggressivitats-training werden integriert.

Die Auswahl der ausschließlich männlichen Teilnehmer erfolgt durch die Vollzugs- bzw. Abteilungsleitungen der JVA. Dabei werden verschiedene persönliche und vollzugliche Aspekte berücksichtigt. Der AGT-Kurs kann eine entlassungsvorbereitende Maßnahme sein, die Teilnehmer können eine gerichtliche Auflage für eine solche Maßnahme erhalten haben oder sie werden von den Abteilungs-/Vollzugsleitungen vorgeschlagen. Die Kurse werden mit neun Teilnehmern durchgeführt, wobei wir einen Platz für einen sog. „Assistenten“ aus dem vorhergehenden Kurs reservieren. Der „Assistent“ absolviert den Kurs also zweimal und hat verschiedene Funktionen. Einerseits hilft er den neuen Teilnehmern, die Berührungsängste mit dem Kursthema abzubauen, so dass die Gruppe schneller in eine produktive Phase einsteigt. Andererseits ist es für den Assistenten auch ein persönlicher Gewinn, sich zweimal intensiv mit dem Thema auseinandersetzen zu können. Und nicht zuletzt ergänzt und erweitert er die Perspektive der Kursleitung.


 


 

THEMEN im AGT


 

EMPATHIE
Die Teilnehmer setzen sich in einem fiktiven Opferbrief mit ihrer Tat und den Folgen für das Opfer auseinander. Dieser Brief wird von jedem Teilnehmer handschriftlich geschrieben und dann in der Gruppe vorgelesen. Die Gruppe diskutiert den Brief und die Tat mit dem Täter. Dabei wird besonders auf die Perspektive des Opfers geachtet. Tatrelativierung, Leugnungs- und Abwehrstrategien werden benannt und konfrontiert. Ziel dieser Einheit ist ein empathischer Perspektivenwechsel.

MANN SEIN
Viele Männer haben eine verkümmerte und eingeschränkte Vorstellung von männlichen Identitäten – nicht zuletzt, weil sie oft vaterlos aufgewachsen sind. Prägend sind dann oft eindimensionale, stereotype Rollenbilder, die Männlichkeit aggressiv und dominant definieren. Im Kurs wird versucht, ein vielfältiges Männerbild zu vermitteln.

PSYCHOEDUKATION
In diesem Teil der Arbeit geht es darum, die Funktion, Ursachen und Folgen von Gewalt besser zu verstehen. Dabei wird nicht nur auf physische Gewalt Bezug genommen, sondern auch psychische, strukturelle und institutionelle Gewalt betrachtet. Das Konzept von gewaltfreiem Widerstand wird besprochen.

METHODIK
Innerhalb des AGT-Kurses werden verschiedene Methoden eingesetzt. Neben Gruppendiskussionen und Vorträgen gibt es Rollenspiele und Körperübungen. Immer wieder werden Filme gezeigt und besprochen. Nach erfolgreichem Abschluss des Kurses erhält jeder Teilnehmer ein Zertifikat. Erfolgskriterien sind aktive und regelmäßige Teilnahme am Kurs. Voraussetzung für die Erteilung des Zertifikats ist ebenfalls das Verfassen des Opferbriefes.

AKTUELLE THEMEN
Es hat sich bewährt zusätzlich aktuelle Themen zu besprechen und im Sinne des Kurses zu nutzen. Dazu zählten die Flüchtlingsdebatte, terroristischen Anschläge, gewaltfreier Widerstand, Wahlen. Insbesondere die Debatte um Flüchtlinge war fruchtbar, da immer Teilnehmer mit Migrationshintergrund in den Kursen sind.

FAZIT
Auch ohne wissenschaftliche Evaluation ist erkennbar, dass der Kurs bei den Teilnehmern Denkanstöße, Reflexion und Veränderung anregt. Teilnehmer berichten immer wieder, dass ihnen bewusst wird, dass sie in Auseinandersetzungen – auch in der JVA – eine Wahl haben. Entweder den alten Weg der Aggression zu gehen oder sich für neue Formen der Konfliktlösung zu entscheiden.